
Was ist theoretische Forschung?
Theoretische Forschung ist das Rückgrat wissenschaftlicher Arbeiten. Sie dient dazu, bestehende Erkenntnisse zu analysieren, Theorien zu vergleichen und neue Perspektiven zu entwickeln – ohne eigene empirische Daten zu erheben. Dieser Ansatz ist besonders in Disziplinen wie Philosophie, Literaturwissenschaft oder Rechtswissenschaft zentral, wo abstrakte Konzepte im Fokus stehen. Doch was macht sie konkret aus, und warum ist sie unverzichtbar?
Theoretische Forschung bedeutet nicht bloßes Zitieren, sondern kritische Auseinandersetzung. Sie fordert dich heraus, Widersprüche in der Literatur aufzudecken, Paradigmen zu hinterfragen und Brücken zwischen unterschiedlichen Ansätzen zu schlagen. Ein Beispiel: In einer Masterarbeit zur Digitalisierung der Bildung könntest du untersuchen, wie klassische pädagogische Theorien (z. B. von Piaget) auf E-Learning-Szenarien übertragbar sind.
Die Bedeutung der theoretischen Forschung für deine Masterarbeit
Ohne theoretische Fundierung gleicht eine Masterarbeit einem Haus ohne Fundament. Sie legitimiert deine Forschungsfrage, zeigt, dass du den aktuellen Stand der Wissenschaft kennst, und liefert die Basis für deine Argumentation. „Wer die Theorie verachtet, bleibt ein ewiger Lehrling“, schrieb bereits Goethe.
Aber auch in empirischen Studien muss der Theorieteil klar definiert sein: Er erklärt, warum du bestimmte Variablen untersuchst oder welche Hypothesen du ableitest. Vernachlässigst du diesen Teil, riskierst du, dass deine Ergebnisse nicht in den Forschungskontext eingebettet sind.
Theoretische Forschung vs. Empirische Forschung
Beide Forschungsansätze ergänzen sich – doch ihre Methoden und Ziele sind unterschiedlich. Während die theoretische Forschung auf Literatur und Modellen basiert, generiert die empirische Forschung neue Daten durch Experimente oder Befragungen.
Empirische vs. theoretische Forschung: Was ist der Unterschied?
- Theoretische Forschung: Analysiert vorhandenes Wissen (z. B. Bücher, Artikel, Modelle).
- Empirische Forschung: Sammelt eigene Daten (z. B. durch Interviews, Experimente).
Ein einfacher Merksatz: „Theorie erklärt, Empirie beweist.“
Beispiel: Eine theoretische Arbeit zu KI-Ethik diskutiert philosophische Positionen; eine empirische Studie testet, wie Nutzer*innen KI-Entscheidungen bewerten.
Wann wendest du theoretische Forschung an?
Theoretische Forschung ist der richtige Ansatz, wenn es darum geht, Grundlagen zu klären oder abstrakte Konzepte zu erforschen. Sie eignet sich besonders:
- Zur Definition von Schlüsselbegriffen: Wie wird „Nachhaltigkeit“ in unterschiedlichen Disziplinen verstanden?
- Zur Hypothesenbildung: Bevor du eine empirische Studie startest, brauchst du theoretisch abgeleitete Annahmen.
- Bei limitiertem Datenzugang: Historische Themen oder Nischenphänomene lassen sich oft nur durch Literaturanalysen erfassen.
Ein Beispiel: In einer Masterarbeit zur Klimapolitik könntest du theoretisch untersuchen, wie ökonomische Modelle der 1990er-Jahre Nachhaltigkeit definierten – auch wenn Primärdaten aus dieser Zeit nicht mehr verfügbar sind.
Theoretische Sättigung in der qualitativen Forschung

Theoretische Sättigung ist ein Qualitätsmerkmal qualitativer Forschung. Sie signalisiert, dass du alle relevanten Aspekte eines Phänomens erfasst hast – weitere Datensammlung würde keine neuen Erkenntnisse bringen. Doch wie definiert man diesen Zustand, und wie erreicht man ihn?
Was bedeutet theoretische Sättigung in der qualitativen Forschung?
Theoretische Sättigung tritt ein, wenn neue Daten (z. B. Interviewaussagen) keine zusätzlichen Kategorien oder Themen mehr hervorbringen. Dieses Konzept stammt aus der Grounded Theory und stellt sicher, dass deine Analyse tief genug ist.
Beispiel: In einer Studie zu Altersarmut erreichst du Sättigung, wenn die 20. befragte Person dieselben Gründe nennt wie die ersten 19.
Wie erreicht man theoretische Sättigung in einer qualitativen Masterarbeit?
- Iteratives Sampling: Beginne mit wenigen Teilnehmenden und erweitere die Stichprobe schrittweise.
- Konstantes Vergleichen: Analysiere jedes neue Datum im Kontext der bisherigen Daten.
- Triangulation: Nutze mehrere Methoden (z. B. Interviews + Dokumentenanalyse).
- Reflexives Journal: Dokumentiere täglich deine Interpretationen und Zweifel.
- Peer Debriefing: Hole Feedback von Kolleg*innen, um Blindstellen zu minimieren.
- Negative Fallsuche: Aktiviere gezielt Daten, die deine Thesen widerlegen.
- Theoretische Sensibilität: Vertiefe dich in Fachliteratur, um Muster schneller zu erkennen.
- Sättigungsprotokoll: Führe eine Liste aller Kategorien und markiere deren Vollständigkeit.
Theoretische Forschung: Empirische und theoretische Forschung kombinieren
Die Kombination beider Methoden (Mixed Methods) macht deine Arbeit vielschichtig. Beispiel: In einer psychologischen Studie könntest du erst existierende Theorien zu Stressbewältigung analysieren und dann eine Umfrage unter Betroffenen durchführen.
Dieser Ansatz verbindet die Stärken beider Welten: Die Theorie liefert den Rahmen, die Empirie testet seine Anwendbarkeit. Gutachter*innen schätzen diese Methodenvielfalt, da sie sowohl Tiefe als auch Praxisrelevanz zeigt. Ein weiteres Beispiel: Eine wirtschaftswissenschaftliche Arbeit könnte neoliberale Wachstumstheorien diskutieren und gleichzeitig Fallstudien zu nachhaltigen Unternehmen auswerten.
Theoretische Forschung: Beispiele aus der Praxis
Praktische Beispiele helfen, abstrakte Konzepte zu verstehen. In der Soziologie könnte eine Arbeit Bourdieus Theorie der Kapitalformen (ökonomisch, kulturell, sozial) auf moderne Influencer-Kultur anwenden.
In der Medizin wäre ein systematischer Review zu Therapieerfolgen bei Depressionen ein klassisches Beispiel theoretischer Forschung. Für BWL-Studierende bietet sich eine kritische Diskussion des Shareholder-Value-Ansatzes an, bei der historische und aktuelle Literatur verglichen wird. Wichtig ist, dass die Beispiele einen klaren Bezug zur Forschungsfrage haben.
Häufige Fehler bei der theoretischen Forschung

Theoretische Forschung erfordert Präzision und Tiefe – doch viele Studierende fallen in vermeidbare Fallen. Diese Fehler schwächen nicht nur die Argumentation, sondern können auch zu Abzügen bei der Benotung führen. Im Folgenden erfährst du, worauf du achten musst, um deine Arbeit wissenschaftlich robust zu gestalten.
Was du vermeiden solltest, wenn du theoretische Forschung beschreibst
Ein häufiger Fehler ist das unkritische Übernehmen von Quellen. Wer Theorien einfach aneinanderreiht, ohne sie zu vergleichen oder Widersprüche aufzuzeigen, liefert keine eigenständige Analyse. Beispiel: Wenn du in einer Arbeit zur Medienwirkung sowohl Cultivation Theory als auch Uses-and-Gratifications-Ansatz zitierst, musst du erklären, wie sie sich ergänzen oder widersprechen – nicht nur deren Definitionen auflisten.
Ein weiteres Problem ist die fehlende Aktualität der Literatur. Arbeiten, die sich ausschließlich auf Studien aus den 1990er-Jahren stützen, ignorieren oft neuere Entwicklungen. In einer Masterarbeit zur künstlichen Intelligenz wäre es fatal, nur Quellen vor 2010 zu nutzen, da sich das Feld seitdem radikal verändert hat. Zudem solltest du Umgangssprache vermeiden – Begriffe wie „ein bisschen“ oder „man sieht“ wirken unprofessionell.
Zu wenig Theorie: Was passiert, wenn du den theoretischen Teil vernachlässigst?
Ein schwacher Theorieteil ist wie ein Haus ohne Fundament: Alles wirkt instabil. Gutachter*innen kritisieren oft Arbeiten, in denen empirische Daten ohne theoretische Einordnung präsentiert werden.
Beispiel: Wenn du eine Umfrage zu Homeoffice-Zufriedenheit durchführst, aber nicht erklärst, welche bestehenden Modelle zur Arbeitsmotivation (z. B. Self-Determination Theory) deine Fragestellung begründen, bleiben die Ergebnisse beliebig.
Die Folge: Die Arbeit wird als oberflächlich bewertet. Zudem fehlt der Bezug zur wissenschaftlichen Community – du zeigst nicht, wie deine Forschung in den größeren Diskurs passt. Ein weiteres Risiko ist die fehlende Hypothesenbildung: Ohne theoretische Basis kannst du keine klaren Forschungsfragen ableiten.
Was du bei der theoretischen Forschung in Österreich beachten solltest
Österreichische Universitäten haben klare formale und inhaltliche Erwartungen. Formalia: Achte streng auf den vorgegebenen Zitierstil – meist APA oder Harvard. Selbst kleine Fehler wie falsche Kommasetzung im Literaturverzeichnis können Punktabzüge kosten. Verwende außerdem die offizielle deutsche Rechtschreibung („ß“ statt „ss“ in Wörtern wie „Straße“) und prüfe, ob deine Hochschule spezielle Begriffe bevorzugt (z. B. „Masterarbeit“ statt „Diplomarbeit“).
Inhaltlich ist der lokale Kontext entscheidend. Analysierst du bildungspolitische Theorien, beziehe österreichische Besonderheiten wie die duale Ausbildung oder die Zentralmatura ein. Bei wirtschaftlichen Themen erwarten Gutachter*innen oft Bezüge zu heimischen Unternehmen (z. B. Red Bull, Spar) oder Institutionen wie der Wirtschaftskammer. Auch der Praxisbezug wird großgeschrieben: Theoretische Modelle sollten anhand österreichischer Fallbeispiele illustriert werden – etwa die Umsetzung der Energiewende in Vorarlberg oder Wiener Wohnbauprojekte.
Tipps für die Erstellung einer exzellenten theoretischen Forschung in der Masterarbeit
Für eine herausragende theoretische Forschung brauchst du Struktur und Kreativität:
- Früh starten: Theoriearbeit braucht Zeit – beginne im ersten Semester mit der Literaturrecherche.
- Concept Maps nutzen: Visualisiere Zusammenhänge zwischen Theorien (Tools: Miro, Lucidchart).
- Kritische Fragen stellen: Wie passen die Theorien zueinander? Wo widersprechen sie sich?
- Primärquellen priorisieren: Zitiere Originalwerke (z. B. Kant statt Sekundärliteratur über Kant).
- Zwischenfazite schreiben: Fasse nach jedem Kapitel Kernpunkte zusammen.
- Feedback einholen: Bespreche deine Gliederung früh mit Betreuenden.
- Zeitmanagement: Plane Puffer für langsame Bibliothekslieferungen ein.
- Digital organisieren: Nutze Literaturverwaltungssoftware wie Citavi oder Zotero.
„Theorie ist die Brücke zwischen Chaos und Erkenntnis“ – halte dieses Motto während des Schreibprozesses im Kopf.